Geschichte der Genossenschaftsidee - Teil 2

01. August 2021

Im ersten Beitrag hatten wir die Vorläufer von Genossenschaften vorgestellt.

Wichtig sind aber auch immer die Vordenker. Diese stammten aus den Reihen der Frühsozialisten wie Philippe Buchez (1796 - 1865) oder Jean Blanc (1811 - 1882). Sie hatten Überlegungen zu Produktivgenossenschaften, in denen die Beschäftigten auch Miteigentümer sind. Die Frühsozialisten wurden abschätzig auch oft Utopisten genannt, weil ihre Vorschläge von den meisten als nicht umsetzbar eingeschätzt wurden. Die Motive lagen bei den einzelnen weit verstreut, vom Umsetzen christlicher Liebe bis zum vernunftmäßig geleiteten Gerechtigkeitssinn. Die Deutschen spielten auch hier nur eine untergeordnete Rolle, man war hierzulande noch zu sehr mit Einheitsbestrebungen beschäftigt. Buchez war an der französischen Revolution von 1848 beteiligt, ebenso wie Blanc, der deren Geschichte im Nachhinein verfasste, allerdings vom Exil in London aus.

Noch wichtiger sind dann aber die Menschen, die schließlich eine Idee aktiv umsetzen (ganz nach Karl Marx: „Es kommt nicht darauf an, die Welt zu beschreiben, sondern sie zu verändern“). Um die soll es hauptsächlich im Folgenden gehen. Robert Owen (1771 - 1858) gilt als der Begründer der modernen Genossenschaftsbewegung.

Owen war eines von 7 Kindern eines Sattlers in Newtown (Wales). Er arbeitete sich zum Fabrikleiter (nicht Besitzer!) in der Baumwollindustrie hoch. 1799 führte er ein Experiment für menschenwürdige Arbeitsbedingungen durch. Er wollte nachweisen, dass Lohnsklaverei und Unterdrückung keine Voraussetzung für eine effektive Produktion ist. Er verkürzte die Arbeitszeit von 13,5 auf 10,5 Stunden, führte Krankenversicherung und Altersrente ein, er erließ Mietvergünstigungen und bot günstige Preise für die Grundbedarfsmittel. Kinderarbeit unter 12 Jahre wurde verboten, darüber stark eingeschränkt. Ergebnis: Die Produktivität erhöhte sich drastisch, Diebstahl kam kaum noch vor. Zehntausende Besucher kamen, auch viele aus europäischen Königshäusern, um sich den Betrieb anzusehen. Trotzdem dauerte es noch weit über 100 Jahre, bis diese Neuerungen Selbstverständlichkeiten wurden. Von Owen angeregt, gründeten 28 „redliche Pioniere von Rochdale“ (eine Stadt in der Nähe von Manchester) im Jahr 1844 eine Konsumgenossenschaft, die aber auch produzierte. Sie wollten ein umfassendes genossenschaftliches System. Ihre Prinzipien sind bis heute Leitlinien des internationalen Genossenschaftsbundes (offene Mitgliedschaft, Genossenschaftsdemokratie, Mitgliederförderung, ökonomische Partizipation der Mitglieder, Autonomie und Unabhängigkeit). Man muss sich diese ersten Genossenschaften eher klein vorstellen. Auch gingen manche kurz nach ihrer Gründung wieder ein. Trotzdem dauerte es nun nicht mehr lange, bis die Idee auch in Deutschland Fuß fasste – dazu beim nächsten Mal mehr.

Verfasst von Dr. Wolfgang Frisch

Mitglied des Aufsichtsrates

zurück