Geschichte der Genossenschaftsidee - Teil 3

01. März 2022

Nachdem wir uns in den Teilen 1 und 2 bereits mit der Geschichte der Genossenschaftsidee sowie ihren Vorläufern auseinandergesetzt haben, wollen wir nun zur konkreten Entwicklung in Deutschland kommen.

Als wichtigster Akuer ist hier Friedrich Wilhelm Heinrich Raiffeisen (1818 – 1888) zu nennen. Er wurde in Hamm geboren und starb in Neuwied. Seine Vorfahren stammten allerdings väterlicherseits aus der Gegend von Schwäbisch Hall und mütterlicherseits (geb. Lanzendörfer) aus Münchberg. Raiffeisen wurde Bürgermeister verschiedener Orte im Westerwald. Hier setzte er sich besonders für die Verbesserung des Schulwesens ein, das zu der Zeit im Argen lag - denn der beste Kampf gegen Armut, ist eine gute Schulbildung. Ab 1848 wechselte er zur Bürgermeisterei Flammersfeld, wo er für 33 Orte zuständig war.

Was er dort vorfand, schildert er so: "Auch in unserem Amtsbezirk befinden sich unter der armen, ausgesogenen Bevölkerung Giftpflanzen, Wucherer, welche sich ein Geschäft daraus machen, die Not ihrer Mitmenschen in herzlosester Weise auszunützen." Am 1. Dezember gründete er deswegen den Flammersfelder Hilfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte. 60 Mitglieder unterschrieben eine gemeinsame Bürgschaft für die aufzunehmenden Kredite des Vereins. Raiffeisen war wichtig, dass jeder für den anderen Verantwortung übernahm. Die Mitglieder konnten in dem Verein Geld ansparen, aber auch für den Kauf von Geräten und Vieh günstig leihen. Andere Wirkungsorte und größere Vereine folgten.

Maßgeblich zur Verbreitung des genossenschaftlichen Gedankens trug sein 1865 herausgegebenes Buch "Die Darlehens-Kassenvereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter" bei. 1870 existierten in der Rheinprovinz bereits 75 Vereine, die Raiffeisen immer wieder als Berater und Referent anfragten. Er bestand auf ehrenamtlicher Vereinsführung und lebte diese Uneigennützigkeit selbst vor. Schließlich förderte er den Gedanken, dass die Vereine (manche hatten zu hohe Einlagen, manche zu hohen Kreditbedarf) sich gegenseitig helfen sollten. Dies führte 1874 zur Gründung der Deutschen landwirtschaftlichen Centralbank.

Raiffeisen war ein überzeugter evangelischer Christ. Sein sozialpolitisches Handeln gründete auf seinem biblischen Glauben. Die erste Genossenschaft im heutigen Sinne war der 1862 in Heddesdorf (Ortsteil von Neuwied) gegründete Sparkassenverein. Dieser verpflichtete als Erster seine Kreditnehmer zur Mitgliedschaft. Erst in Verbindung mit den liberalen Reformern und Politikern Hermann Schulze-Delitzsch und Wilhelm Haas jedoch wurde das Genossenschaftswesen weitläufig populär. Schulze-Delitzsch und Haas führten den verpflichtenden Erwerb von Geschäftsanteilen für die Kreditnehmer ein, was diese zu Geschäftspartnern machte, sodass sie nicht mehr nur zu Almosenempfängern waren.

Hermann Schulze-Delitzsch (1808 – 1883) war ein bedeutender deutscher Sozialreformer und Politiker mit juristischer Grundausbildung. In der Preußischen Nationalversammlung war er Mitglied einer Kommission, die sich mit der Situation der Gewerbetreibenden befasste. Dort kam er zu dem Schluss, dass es dem Handwerk nur durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse möglich sei, zu der sich rasch entwickelnden Industrie aufzuschließen. Die gescheiterte Revolution von 1848 hinderte ihn allerdings daran, diese Gedanken weiter ins Land hinauszutragen.

Mit der Gründung der Schuhmachergenossenschaft 1849 in der Stadt Delitzsch (Sachsen) hatte Schulze-Delitzsch die erste Genossenschaft als unternehmerische Rechtsform gegründet. In der Folge förderte er Spar- und Konsumvereine, Vorschuss- und Kreditvereine (die heutigen Volksbanken). Als Landtags- und ab 1867 Reichstagsabgeordneter setzte er das Genossenschaftsgesetz in Preußen und im Norddeutschen Bund durch. Die Einführung des deutschlandweiten Genossenschaftsgesetzes (1889) erlebte er allerdings nicht mehr.

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