Geschichte der Genossenschaftsidee

12. Juli 2021

Geschichte der Genossenschaftsidee

In einigen fortlaufenden Beiträgen wollen wir die Geschichte der Idee von Genossenschaften allgemein – und natürlich der Wohnungsgenossenschaften im Besonderen – aufzeigen. Wir hoffen, dass Sie Freude an der Lektüre haben und dabei das ein oder andere Ihnen noch nicht Bekannte entdecken.

Heute beginnen wir mit den „Vorläufern“. Im Spätmittelalter findet sich im Mittelhochdeutschen der Begriff „Genoz“ (also Genosse). Man meinte damit: „wer in irgendeiner Form mit Menschen seiner Art genießt“. Genuß (genüt) wiederum wurde damals als „Nutzung“ oder „Vorteil“ verstanden. Im heutigen etymologischen Wörterbuch wird Genuss beschrieben mit „was Freude, Wohlbehagen, tiefe Befriedigung bereitet“, im engeren Sinn als „Nahrungsaufnahme“.

Aus dem Mittelalter sind uns zahlreiche Modelle, wie Einungen, Gilden, Stiftungen bekannt, auf denen spätere Genossenschaftsbildungen aufbauen konnten. Im Hoch- und Spätmittelalter waren mit Genoz vor allem kirchliche Bruderschaften (Mitglieder ohne höhere Weihen) oder Weide- und Jagdgenossenschaften gemeint. Später entstanden Beerdigungsgenossenschaften (um Genossen ein angemessenes Begräbnis zu ermöglichen) oder Deichgenossenschaften. Im Bergbau bildeten sich die ersten Knappschaften heraus. Im Alpenraum bildeten sich Alpgenossenschaften, weil manches Projekt nur als Gemeinwerk realisierbar war. Ein wichtiger Aspekt war nicht nur die Bewirtschaftung, gleichzeitig wurde so auch die Veräußerung von Gemeineigentum verhindert. Aus den reinen Gemeinschaftsunternehmungen wurden also mehr und mehr zweckrationale Aktionen mit bis ins Detail durchdachten Planungen.

Wir haben diese Genossenschaften und Zusammenschlüsse noch als „Vorläufer“ bezeichnet, denn die Genossenschaftsbewegung nahm erst nach Beginn der Industrialisierung richtig Fahrt auf. Die Hintergründe dazu in der nächsten Folge. Schon mal ein Blick vorab: die ersten Selbsthilfeorganisationen (Konsum-, Bau-, Einkaufs- oder Absatzgenossenschaften) wurden nicht durch Deutsche, sondern durch Engländer und Franzosen aus der Wiege gehoben (Robert Owen (1771 - 1858), Charles Fourier (1772 - 1837), William King (1786 - 1865)).

Verfasst von

Dr. Wolfgang Frisch, Mitglied des Aufsichtsrates

zurück