Serie über die Hofer Straßen

01. Februar 2024

Ernst-Reuter-Straße 76, 78 und 80

Mit den Liegenschaften an der Ernst-Reuter-Straße 70, 72 sowie 76, 78 und 80 besitzt die Baugenossenschaft Hof auch mehrere Häuser an der größten Straße von Hof. Sie erstreckt sich als westliche Umgehung des Stadtkerns vom Anspann bis zur Konradskirche. Zunächst wurde 1953 der Mittelteil zwischen Äußere Bayreuther Straße und Jahnstraße nach Prof. Dr. Ernst Reuter (1889 – 1953) benannt. Sein bewegtes Leben kann hier nur kurz zusammengefasst werden.

Im Ersten Weltkrieg geriet Ernst Reuter in russische Gefangenschaft. Nach der Oktoberrevolution wirkte er als Volkskommissar der Wolga-Deutschen, zu dieser Zeit war er Mitglied der KPD. Zurückgekehrt nach Deutschland, wechselte er wieder zur SPD und wurde Oberbürgermeister von Magdeburg. Von den Nazis wurde er seines Amtes enthoben und landete zweimal im KZ. Über Großbritannien gelang ihm die Flucht in die Türkei. 1948 wurde er Regierende Bürgermeister von Berlin. Noch 1947 versuchte die sowjetische Delegation des Alliierten Kontrollrats, ihn abzulehnen. Populär wurde Reuter besonders durch seine Reden, die die Widerstandsfähigkeit der Berliner Bevölkerung verstärkten. Auf die Einführung der D-Mark in den drei Westsektoren Berlins reagierten die Sowjets prompt mit der Berlin-Blockade. In dieser Situation war es besonders Reuters Verdienst, dem amerikanischen Präsident Harry S. Truman die Errichtung der Luftbrücke abzuringen.

1957 wurde der Name Ernst-Reuter-Straße auch auf den Südteil (bisher Wunsiedler Straße) und den Nordteil (zuletzt Hans-Merker-Straße) ausgedehnt.

Die früheren Namen des Nordteils der Ernst-Reuter-Straße waren bis 1935 Ziegelhüttenweg und Lehmgrubenweg (auch Volksfest-Straße genannt), von 1935 bis 1945 Hans-Schemm- Straße, von 1946 bis 1957 Hans-Merker-Straße. Die Beweggründe für diese Umbenennungen kann ich hier ebenfalls nur kurz schildern:

Hans Schemm (1891 – 1935) war Lehrer in Bayreuth. Er stieg auf zum NSDAP-Gauleiter der bayerischen Ostmark, zum Reichsverwalter des nationalsozialistischen Lehrerbunds (in Hof gegründet!) und zum bayerischen Kultusminister. Das Stadion an der Ossecker Straße wurde bis 1945 Hans-Schemm- Kampfbahn genannt. Es ist also klar, dass im Rahmen der Entnazifizierung von Hofer Straßen dieser Name geändert wurde.

Zur Umbenennung in Hans-Merker-Straße lässt sich berichten, dass auch in Hof gegen die NS-Diktatur politisch aktiver Widerstand geleistet wurde. An drei Menschen möchte ich hier kurz erinnern, sie waren alle Mitglieder der KPD und sie haben für ihren mutigen Einsatz mit ihrem Leben bezahlt: der Hofer und vorübergehende Namensgeber der Straße Hans Merker (1904 geboren, von der SS bei der Flucht aus Buchenwald 1945 erschossen), Philipp Heller (geboren 1909 in Hof, zu Tode gefoltert bei Gestapo-Verhören 1938 in Weiden) und Ewald Klein (geboren 1899 in Marxgrün, erschossen in Dachau 1942).

Für Hans Merker gibt es zur Erinnerung einen sogenannten Stolperstein vor seiner letzten Wohnung in der Doebereinerstraße 12.

Die Friedrich-Ebert-Brücke am Hallenbad trug von 1945 bis 1948 den Namen Ewald-Klein-Brücke. Am Geländer der Brücke befindet sich eine Erinnerungstafel, ebenso im Vorgarten seines ehemaligen Wohnsitzes an der Pizzeria Rotes Schloss.

Ab 1945 wurde die Hans-Schemm-Kampfbahn für zehn Jahre nach dem auch sportlich aktiven Widerstandskämpfer Philipp Heller benannt. 1957 begann jedoch der sogenannte Kalte Krieg, die KPD wurde in der Bundesrepublik verboten. In diesem Zuge wurde auch der Straßenname abermals geändert in die heutige Ernst-Reuter-Straße. Auf jeden Fall sind die Umbenennungen soziologische Fußabdrücke, in denen sich der jeweilige Zeitgeist widerspiegelt. Moralisch möchte ich das an dieser Stelle nicht kommentieren – wir wissen alle nicht, was wir zu einer anderen Zeit gedacht oder getan hätten. Trotzdem bleibt in mir ein kleines Ungerechtigkeitsgefühl latent.

Als Ergebnis dieser Umbenennungen haben wir jedenfalls heute eine überdimensionale Ernst-Reuter-Straße. Ohne Reuters Verdienste schmähen zu wollen, darf man auch einmal darüber nachdenken, welche Namen hier in Teilstücken zur Geltung gebracht werden könnten. Zumal Ernst Reuter keine regionalen Bezüge zu Hof hatte.

Verfasst von unserem Aufsichtsratsmitglied

Dr. Wolfgang Frisch

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